Neapel

Wahrscheinlich wird jeder, der es wagt etwas schlechtes über diese Stadt zu schreiben, ganz plötzlich eines unvermeidlichen Unfalltodes sterben, falls ihm das nicht schon während seines Aufenthaltes dort passiert ist… ?

Das Schönste an Neapel ist das Ablegen: wenn sich das Schiff langsam dreht und man im schwindenden Licht das Glitzern der Lichter vor dem Vesuv sieht, langsam die Küste entlang fährt und hupende Autos, Motorroller, Lastwagen, Taxen und Busse in der Ferne verschwinden… dann kann man vergessen, wie laut und wie dreckig und wie laut und unfreundlich und wie laut diese Stadt ist.

Während ich innerlich tausend Tode sterbe, lege ich mir äußerlich die Todesverachtung der zu Fuß gehenden Neapolitaner zu.
Um eine Straße zu überqueren, achtet man weder auf Ampeln noch auf heran rasende Autos, man richtet den Blick stur geradeaus und geht – nicht zu zügig! – ohne zu zucken über die Straße, man ignoriert dabei, die Kühlerhauben, die nur 2mm von einem entfernt zum Stehen kommen, überhört das wütende Hupen.
Schaut man den Autos entgegen, denken die Fahrer, man würde sie sehen und könne ausweichen, geht man zu schnell, denken die Fahrer, man würde ihnen ausweichen können.
2 Straßen zu überqueren kostet mich ca. 10 Jahre meines Lebens.

Hat man diese Hürde gemeistert, kann man das Neapel sehen, das man sich vorstellt: schmale, schmutzige Gassen in denen über einem die Wäsche hängt und durch die Motorroller brettern, aber auch große Plätze und eine Uferpromenade auf der man erwartet eine lachende, junge Sophia Loren mit Kopftuch hinter ihrem Gigolo auf einer Vespa vorbeifahren zu sehen.

Die überschäumende Freundlichkeit, die ich von italienischen Restaurants in Deutschland kenne, suche ich hier allerdings vergeblich.