Asien

Während ich dies schreibe sitze ich in der Long Bar des „Raffels Hotel“ und trinke einen Singapore Sling,….
Ich gehe normaler Weise nicht alleine aus, schon gar nicht in Bars… und dann noch im Ausland???

Eine meiner Vorsprechrollen ist seit der Schauspielschule Hannah Jelkes aus „Die Nacht des Leguan“ von Tennessee Williams. In dem Monolog sagt sie: „Das zweite Ereignis fand erst vor kurzer Zeit statt, erst vor 2 Jahren, als ich mit Nono im „Raffles Hotel“ in Singapur arbeitete… und gut! Wir verdienten unsere Spesen und mehr!“

Als ich erfuhr, daß ich bei meinem Kurzeinsatz als Premierenbegleitung in Singapur absteigen würde, überlegte ich, noch ein paar Tage dranzuhängen. Die Firma war bereit, meinen Flug zwei Tage später zu buchen.
Eine Übernachtung im Raffles wäre zu teuer geworden, stattdessen wurde es das „Royal Park Gardens Hotel“.

Aber mir das „Raffles“ einmal live und in Farbe ansehen und den Drink trinken, der dort erfunden wurde!
Well: ein weiterer Punkt für die Liste „been there, done that“

Eigentlich wollte ich schon gestern hier sitzen. Mit der Bordgaleristin, die ich  seit 5 Jahren „kenne“… Wie man eben Menschen kennt mit denen man eine kurze Zeit zusammen gefahren ist: wir mögen uns und als wir uns letztes Jahr in der Karibik trafen, wo ich eine 10 tägige Premierenbegleitung machte, hatten wir eine tolle Zeit. Dieses Mal also:
Hallo, ich komme! Super, wir müssen Singapur Sling trinken! Unbedingt! Im Raffles! Sowieso!

Sie wollte mich gegen 20:30 im Hotel abholen… Aber alles dauerte und wir trafen uns erst gegen 21:50… laut Internet schließen aber alle Bars des Raffles gegen 22:00 – zumindest an einem Montag. Also gingen wir erst in Chinatown etwas essen und standen dann auf dem Schlauch… ab ins „Marina Bay“.
Rooftop und so…
Glücklicher Weise keine andere Crew da!
Umsumsums-Musik auf der Poolseite im Tanz-Disco-Stil, auf der anderen Seite im Chillout-Modus… bedient werden wir nicht.
Singapur Sling gibt es auch nicht.
Rotzladen!

Ein Tisch wird frei, wir setzen uns, der Kellner, der uns seit einer halben Stunde ignoriert, steht wie aus dem Boden gewachsen neben unserem Tisch und weist uns darauf hin, daß wir dort gerne sitzen könnten – wenn wir bereit wären, 500,-$ zu zahlen.
Sind wir nicht.
Widerwillig bringt er uns Drinks an unseren Stehtisch… eine Erklärung liefert er uns nicht… aber nach 10 Minuten meint er plötzlich, wenn wir wollten, könnten wir uns wieder setzen.
Nee, jetzt wollen wir nicht mehr.

Natürlich ist es atemberaubend über Singapur zu schauen… Wahnsinns-Skyline! Es sind immernoch 26 Grad, ein Wind kommt auf… man könnte fast behaupten, daß es „frisch“ wird… umumsums-Musi… alles schick… aber irgendwie nicht „besonders“ … also als Crew macht man dauernd sowas: unfassbar viel Geld ausgeben (in unserem Fall 30,- Singapur Dollar pro Drink und Nase) um sich etwas zu gönnen (einfach auch weil man es kann!) …

Aber im Grunde greife ich vor… denn ich bin ja schon ein paar Tage in Asien. Alle warnen immer von der unglaublichen Luftfeuchtigkeit hier…  Ich finde es sehr angenehm…
Außerdem bin ich extrem entspannt. Schon als ich mit dem Schauspieler im Schlepptau in Bangkok ankomme und wir unseren Agenten nicht finden können.

Nachdem wir das Spalier der wartenden Abholer mehrmals abgeschritten haben und kein Schild mit unseren Namen entdecken konnten, bin ich etwas ratlos…
Dann sehe ich einen Menschen, dessen Gesicht mir vage bekannt vorkommt… unser Glück! Ich spreche ihn an und es stellt sich heraus, daß wir uns tatsächlich entfernt kennen.

Unser Abholer hatte nur einen, nämlich seinen Namen, auf seinem Zettel, den er auch eifrig in die Luft hält .. er ist schier verzweifelt und versteht nicht, daß „Thomas Nannsen“ nicht 3 Namen sind oder überhaupt der Name unserer Firma….

Schließlich, nachdem er sein Schild erneuert hat und sich eine Hotelingenieurin und ein Maschinist einfinden, verlassen wir das Flughafengebäude… der erwartete Hitzschlag stellte sich nicht ein, obwohl ich Jeans trage (meine Winterjacken habe ich allerdings über dem Arm).

Der kleine Asiate (ist das eigentlich ein Oxymoron?) winkt mich zu einem Taxi und lässt mich alleine einsteigen.
Es ist normal, daß man als Staff nicht mit der Crew zusammen fährt, deswegen denke ich mir nichts dabei.

Ich lasse also alle anderen Europäer hinter mir – werde sie auch bis zum nächsten Tag nicht wiedersehen… sie müssen nämlich direkt aufs Schiff – und die Abenteuerfahrt beginnt. Nach ein paar Metern Fahrt fragt der Taxifahrer mich, wohin ich wolle?
„Herrje! Wenn Du es nicht weißt…?!“ Ich habe zum Glück einen Zettel, auf dem die Adresse des Hotels steht.
Er schaut sich die Zettel an (ja, während wir fahren!), er telephoniert (jaa, während wir fahren!!) … und reicht mir sein Telephon.

Ich spreche mit jemandem, den ich weder akustisch noch inhaltlich verstehe es geht wohl darum, wohin ich möchte?
Insgesamt 3 Mal während unserer Fahrt telephoniere ich mit verschiedenen Menschen.
Ich wiederhole nur immer wieder geduldig, daß meine Destination das Royal Garden Hotel in Pattaya sei… und wundere mich über mich selbst:… woanders drehe ich schon mal gerne am Rad, wenn ich das Gefühl habe, daß ein Taxifahrer mich spazieren fährt… vielleicht liegt es am Jetlag? Ich bin entspannt, neugierig und voller Zuversicht, daß schon nichts schief geht.

Beim Anblick der grünen Hügel überlege ich, daß hier irgendwo die amerikanischen Truppen ihren mörderischen Krieg geführt haben… Ich denke an den Film „A Thin Red Line“ und sinnierte darüber, daß mein Taxifahrer vielleicht deswegen so schlecht Englisch spricht, weil er den Krieg noch miterlebt und eine tiefe Abneigung gegen alles Englische entwickelt hat….?
So typisch deutsche Betroffenheitsgedanken eben… ca 20 Minuten später fällt mir ein, daß ich in Thailand bin und nicht in Vietnam… mein Jetlag ist schlimmer, als ich dachte!

Bei einem Tankstop bringt der Taxifahrer mir eine Flasche Wasser mit – einfach so… er will kein Geld dafür.
Ich hätte auch gar keines gehabt.

Das, was ich schließlich von Pattaya sehen kann, erinnerte mich an die unschönsten Teile der Karibik: schmale Bürgersteige, Wellblechhütten mit Billigwaren, am Rand des Bürgersteigs mindestens 20 Stromkabel, die tiefdurchhängend von Mast zu Mast laufen…
Aber tatsächlich komme ich wohlbehalten am Hotel an.

Das Hotel… Schranke, Auffahrt mit gallopierende-Pferde-Statue in der Mitte, ein Riesenportal…  sofort schnappt sich jemand meinen Koffer, jemand anderes reicht mir zur Begrüßung einen Kokossaft… eine offene Halle, Papageien zwitschern unter der Decke – freilebende Papageien wohlgemerkt…  mein Zimmer im 5 Stock hat eine Eckterrasse mit Blick auf Pool und Meer, mir wird ein Obstteller gebracht, auf dem sich unter anderem eine Große Drachenfrucht befindet… irgendwie sehe ich keinen Grund, den Shuttelbus nach Pattaya-City zu nehmen um mich dort umzusehen.
Ich merke, eine bleierne Müdigkeit. Eigentlich versuche ich dem Jetlag immer entgegenzuwirken, indem ich mich sofort auf den neuen Rhythmus einstelle, aber ich spüre, daß das nicht möglich sein wird.

Also gestatte ich mir eine Stunde Mittagsschlaf und gehe zum Barbecue, das mich umgerechnet 5,-€ kostet.
Pattaya-City sollte mich mal!
Die Kollegen, die dort waren, berichteten von „PingPong“- und „Live Sex Shows“… also habe ich nichts verpasst.
Stattdessen schaue ich in den rasch dunkler werdenden Abendhimmel, esse Pho-Suppe und gegrilltes Fleisch, genieße die angenehme Wärme – selbst bei Dunkelheit und staune darüber, daß ich in Asien bin

Zum Frühstück gibt es sowohl asiatisches als auch europäisches Essen… Wobei ich mich hier für das Wort „europäisch“ bei allen Engländern entschuldigen muß: es ist eher englisch… aber ich mag lieber ein Conghee, eine Reissuppe, gebratene Nudeln und frisches Obst zum Frühstück 😉

Pünktlich werde ich abgeholt und zum Schiff gebracht – die Zeit an Bord lasse ich unerwähnt: Routine, Routine.

Den ersten Landgang machte ich in Koh Samui.
Zufällig treffe ich das Ensemble auf dem Tenderboot und schließe mich ihnen auf der Suche nach einem Strand an. Leider verstehen Einheimische grundsätzlich etwas anderes unter „einem schönen Strand“ als ich.
Wir werden zum „Nikki Beach Resort“ gefahren.
Eine Strand-Bar-Kette, ich kenne sie von mindestens 2 karibischen Inseln…: es ist nett, man liegt auf Strandbetten, kann im Pool oder im Meer schwimmen (Meer! Alleine schon um das „Südchinesische Meer“ der Liste “ Wassern mit denen ich mich gewaschen habe“ hinzuzufügen) und es gibt Essen und Getränke… nichts Besonderes. Und weit entfernt von einsamen, breiten Sandstränden mit Kokospalmen.

Es folgen zwei Seetage und dann Penang. Da man dort das Zentrum der Hauptstadt Georgetown fußläufig erreichen kann, gehe ich raus.

Mäandere also durch die Gassen.
Naja „Gassen“… wenn überhaupt nur schmale Fußgängerwege. An einer Ecke liegt jemand, vollständig mit einer Decke bedeckt. Nur die Füße schauen heraus… entweder meine erste Leiche oder eine asiatische Pennerart, sich vor der Sonne zu schützen.

Irgendwann komme ich in eine Art Fußgängerzone: rote Lampions sind quer über die Straße gespannt, an einem Schmuckstand bleibe ich stehen und beschließe, ein Armband zu kaufen, es ist eines mit einem Sternzeichen-Anhänger und die Verkäuferin fragt mich nach meinem Sternzeichen.
„Skorpion“ sage ich und sie stutzt:
„Oh wirklich? Ich auch. An welchem Tag denn?“
„12.“
Sie schaut mich groß an.
„Ich auch!“
Ich halte das für einen super Verkaufstrick und bin mit meinem „Oh, tatsächlich?“ anscheinend nicht überzeugend genug, denn sie zeigt mir ihren Ausweis, auf dem es schwarz auf weiß steht… wir sind beide etwas verblüfft und freuen uns und wissen nicht so recht, ob und wenn ja, was das bedeutet?
Wir verabschieden uns herzlich und ich bedauere, daß ich nur einmal da bin…

Etwas weiter die Straße runter sehe ich einen tollen Eingang, photographiere und werde von einem älteren Asiaten näher gewunken.
Es ist ein chinesischer Tempel und er führt mich herum. Sein Englisch ist rudimentär, aber er macht es durch Zeichensprache wett, weist mich auf jede Besonderheit hin, die ich artig nickend mit „Beautyfull!“ kommentiere. Und das ist es auch: es ist alles wunderhübsch, liebevoll, kostbar, beeindruckend!
Ich spende für die weitere Restaurierung und er läutet eine Glocke für mich 🙂

Eine Querstraße weiter, falle ich in ein Café „Buisy Bodhy“ wo folgender Aufsteller zum Bleiben einlädt:

Ich trinke einen Eistee, der Besitzer des Cafés fragt mich, woher ich komme und siehe da: er ist zur See gefahren und natürlich kennt er Hamburg… ich sitze da und bin unbeschreiblich unbegründet glücklich und zufrieden.

Am nächsten Tag sind wir in Kuala Lumpur und ich buche „Kuala Lumpur auf eigene Faust“: Busfahrt hin und zurück, 5 Stunden Freizeit… einfach, weil ich es kann…

Allerdings bin ich in Kuala Lumpur so orientierungslos, verwirrt, wie selten in meinem Leben: egal, wo ich hin will, ich gehe erstmal in die falsche Richtung – als ob jemand meinen inneren Kompass einmal um sich selbst gedreht hätte… als ich das feststelle, beschließe ich nicht wie sonst „der Nase nach“ zu gehen – die Wahrscheinlichkeit, mich innerhalb weniger Minuten heillos zu verirren ist zu hoch. Außerdem bemerke ich, daß der Linksverkehr, sich nicht nur auf die Straßen bezieht: Rolltreppen befinden sich auf der „falschen“ Seite und wenn man sich auf dem Bürgersteig entgegenkommt, weichen die Asiaten nach links aus. Ich muß mich sehr konzentrieren, um nicht dauernd in Leute hineinzulaufen.

„Chinatown“ ist enttäuschend!
Zwar hängen auch hier die roten Lampions quer über der Straße, es ist voll und wuselig, aber die Stände bieten genau den gefälschten Kram (Taschen, Uhren, Parfums, DVDs), der einem überall auf der Welt von fliegenden Händlern angeboten wird… und zwar nur diese Dinge… nichts Anderes!
Mir leuchtet nicht ein, wie die Händler hier überleben können?

Im Central Market gibt es Touristen-Krams… ich will das Nationaldenkmal sehen und laufe wieder in die falsche Richtung… ich sehe eine Moschee, lande auf einem beeindruckend großen Platz – anscheinend der Unabhängigkeitsplatz… whatever, die Stadt nervt mich.
Einzig bemerkenswert: auch wenn die U-Bahn brechend voll ist: sobald ein älterer Mensch, eine Schwangere oder Mutter mit Kindern einsteigen, stehen automatisch mindestens 2 Menschen auf und machen Platz.
Ich bin trotzdem froh, als ich wieder im Bus sitze.

In Singapur steige ich früh ab und fahre ins Hotel. Nachdem ich eine halbe Stunde mit lauter Passagieren in einer Schlange vor dem Fahrkartenschalter gestanden habe, halte ich meine 3 Tages-Touristen-Karte in der Hand.

Mein Hotel ist schnell gefunden. Ein Traum! Viel Grün… Luxus…
Direkt bei/an Chinatown. Gerne würde ich bleiben, das hauseigene Spa aufsuchen. im Infinity-Pool schwimmen, auf der Terrasse relaxen… Ich werfe mein Gepäck ab und laufe los, denn da wartet eine Stadt auf mich.

In Chinatown eine Straße mit lauter kleinen Ständen, an denen Essbares angeboten wird… hier hält man auch Frosch für essbar… obwohl abenteuerlustig, verzichte ich darauf und entscheide mich für Hühnchen mit Limonensauce.
Ist lecker.
Ein älterer Asiate spricht mich an und fragt mich, wo ich das Hühnchen gekauft habe? Ich deute auf den Stand und wir kommen ins Gespräch. Er interessiert sich für Europa, war schon in Lissabon und ist in Frankfurt a.M. umgestiegen… schließlich fragt er mich, ob er mich auf einen Kaffee einladen könne? In der Nähe sei ein Starbucks.

Eigentlich meide ich „Starbucks“ wie der Teufel das Weihwasser, aber es erscheint mir unhöflich, das zu sagen, er schwärmt so sehr dafür… wir landen dann zum Glück in einem anderen „europäischen“ Café, bis ich beschließe, noch schnell zur Orchard-Road zu fahren.
Wir verabschieden uns.
Ohne Adressen auszutauschen. Einfach so… eine nette Begegnung mit Hong, von dem ich nicht weiß, ob das sein Vor- oder Nachname ist?

Im Vorfeld hatte ich gehört, Singapur sei ein Shopping-Pardies und die Orchard Road das Zentrum dieses Paradieses.. nun ja: wer jemals von einem Chanel-Kostüm, einer Luis Vuitton Tasche und Loboutins träumte, für den mag es zutreffen. Es ist beeindruckend all diese Marken neben- über und untereinander in unglaublich großen Shopping-Malls zu sehen, selbst wenn sie hier preiswerter sind, als in Europa, kann und möchte ich sie mir nicht leisten.

Jetzt steht schon der 2. Drink vor mir: ein Tropical Sling – mit Passionsfrucht… Lecker!

Das Raffles Hotel, ist obwohl alt, ein riesiger, weißer, aber 3 oder 4 Stockwerke hoher Komplex im Kolonialstil, der fast ein ganzes Quareè einnimmt… am Haupteingang wird man sofort abgefangen, keine Chance auch nur einen Blick in die Hotelhalle zu werfen.

Dafür komme ich auf meinem Weg in die „Long Bar“ an dem vorbei, was Hannah Jelkes als „Palmenhof“ bezeichnet haben könnte. Hier hat sie also (in Tennessee Williams Vorstellung) Gästen ihre „Charakterportraits“ angeboten… ich bekomme Respekt bei der Vorstellung, wie sie reservierte, reiche Gäste anspricht: alles atmet  hier noch immer „Noblesse“

Es gibt mehrere Bars und man hat mich zur „Long-Bar“geschickt, die sich im ersten Stock befindet: dunkles Mahaghoni-Holz, Rattanfächer unter der Decke wedeln automatisch frische Luft, eine Wendeltreppe führt in das Stockwerk darüber, dort spielt eine Liveband… der Bartender hat mir erlaubt, mir das Spektakel anzusehen… Ich esse lieber Erdnüsse, schmeiße die Schalen auf den Boden, wie es für die Raffles Bar üblich ist und habe schon ordentlich einen im T.
Hier ist alles klimatisiert… wenn ich rausgehe, wird es mich treffen, wie ein Vorschlaghammer.

Überhaupt bin ich an meinem 2. Tag Singapur unendlich viel gelaufen… von meinem Hotel an die Riverside zum Merlion und von dort zum Singapore-Flyer, dem Riesenrad nach dem Vorbild des London-Eye… eine Runde fahren und Singapur von oben sehen.

Auf dem Rückweg lockt mich ein Fish-Spa, wo einem lauter kleine Helferfische die Hornhaut von den müden Füßen knabbern: es kitzelt und ist sehr spannend zu beobachten… pünktlich um 15:00 beginnt es zu regnen, ich rette mich nach China Town, esse wieder keinen Frosch und mache mich dann bereit für mein Abenteuer „alleine an die Bar“

Läuft gut soweit. Die anwesenden Europäer interessieren sich nur für ihre mitgebrachten Asiatinnen, nur ein übergewichtiger Engländer fragt, ob ich Netz hätte? Wahrscheinlich, weil ich so eifrig auf mein IPad eintippe…
mein Flug morgen geht erst kurz vor Mitternacht, ich habe also noch einen Tag vor mir.

Ich werde nach „Little India“ fahren, ins Kolonialviertel und nochmal in die Orchard Road, wo ich einen 2 stündigen Regenguß bei klassischem, englischem Tee verbringen werde.

Und dann wird man mich beim Lufthansa Check-In fragen, ob ich gegen 600,- Sing Dollar bereit wäre, noch eine Nacht zu bleiben?
Ich bin Asien-overdosed.
Und ich denke an ein Ehepaar, mit dem ich mich auf dem Schiff unterhielt. Sie hatten vor ein paar Jahren ein paar Tage in Singapur verbracht, im selben Hotel wie ich und als ich sie fragte, ob sie nochmal in Singapur bleiben würden, antworteten sie:

„Ach, wie fahren niemals zwei Mal an den selben Ort. Die Welt ist so groß und es gibt so viel zu sehen… und wenn man das zweite Mal irgendwo ist, fängt man an, zu vergleichen und der Zauber verfliegt…“

Carola tippt…

Jamaica, Check In.

Ich steuere auf die freundliche „Carola“ zu und reiche ihr meine Papiere. Daß Carola freundlich ist, unterstelle ich nur. Schließlich bin ich nicht in Deutschland, sondern in der Karibik, noch besser: auf Jamaica „Yo Man! No Problem!!“ und so weiter… in Wirklichkeit guckt Carola neutral, vielleicht sogar etwas gelangweilt.

Sie nimmt meine Papiere entgegen und fängt an, zu tippen. Auf der Ablage, da wo ich mein Handgepäck abgestellt habe, liegt ein benutztes Feuchttuch. Ich überlege, es unauffällig auf den Boden zu schieben… lasse es aber lieber bleiben: Amerika und seine seltsamen regeln sind nah – nachher unterstellt man mir noch, es sei mein Feuchttuch und verhaftet mich wegen mutwilliger Flughafenverschmutzung…
Carola tippt weiter. Ich überlege, wie man ihren Namen wohl ausspricht? „Carol“ wäre ein normaler englischer Name… Carola klingt so fremd …
Kei-roh-la
Carola tippt und fragt mich schließlich, wieviel Gepäckstücke ich habe?
2 Koffer und einmal Handgepäck.
Carola tippt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit in der ich die Silben Kei-Rohhhh-Laaa in meinem Hirn hin und her bewegt habe, teilt sie mir mit, daß British Airways eine Gebühr von 200,-$ auf das Gepäck erheben würde.
Ich weise sie auf meine Unterlagen hin, in denen steht, daß ich 2 x 23kg frei habe, da ich Crew auf einem Kreuzfahrtschiff war…
Sie tippt und entschuldigt sich, sie müsse eben mit ihrem Supervisor sprechen. Sie kommt zurück und nun kann ich immerhin mein Gepäck wiegen. Koffer 1 mit meinen Klamotten wiegt 20kg, Koffer 2 lediglich 13kg. Koffer 1 wird mit den üblichen Aufklebern versehen… das Ausdrucken der Aufkleber für Koffer 2 scheint schwierig zu sein… wiederum spricht Carola mit ihrem Supervisor.
Das Gespräch dauert. Sie kommt zurück und bittet mich, einen Schritt zur Seite zu gehen, ihr Supervisor müsse etwas klären… sie checkt ein älteres englisches Ehepaar mit 2 Koffern ein.
Das geht schnell.

Wieder spricht sie mit ihrem Supervisor und fragt mich, ob ich Crew wäre?
Ja, bin ich. Sagt ja auch das Schreiben, das Du in den Händen hältst, Du dusselige Kuh habe ich Dir auch schon gesagt… hör auf zu kiffen, dann klappt das auch wieder mit dem Gedächtnis! möchte ich sagen, sage ich natürlich nicht…
Ich antworte ganz gesittet: „Ja, bin ich.“
OK, die Gebühr betrage jetzt 100,-$…
Was soll ich machen?
Ich kann den Koffer, in dem sich Kostümteile eines Kollegen und meine gesamten Textbücher befinden nicht einfach am Flughafen stehen lassen – wahrscheinlich gilt das sowieso als terroristischer Akt… packte ich die 13kg auf meine 20kg wäre eine saftige Gebühr fällig… und überhaupt: wohin mit dem lila Schalenkoffer?
In 3 Gottes Namen, dann bezahle ich die 100,-$ eben!

Sie teilt mir mit, daß es nicht möglich ist, mein Gepäck bis Hamburg durchzubuchen, da ich über Miami fliege und in Amerika mein Gepäck identifizieren müsse… nach einer guten Stunde halte ich endlich meine 3 Tickets (Jamaica-Miami-London-Hamburg) sowie die Quittung für die 100,-$ in der Hand.
„Yo Man! No Problem!“

Nachtrag: Die „Gepäckidentifizierung“ bedeutet nichts weiter, als daß man sein Gepäck einsammeln und selber ins nächste Terminal befördern muß.
Für den 8stündigen Flug über den Atlantik hatte mir Carola einen Mittelplatz in einer 4er Reihe reserviert.
Der 100,-$ Koffer ging in Heathrow verloren.

Das ist dort keine Seltenheit – er kam zum Glück einen Tag später und wurde mir nach Hause geliefert. Es war auch fast nichts kaputt gegangen.

Island

Von all den Plätzen, die ich bisher gesehen habe, ist Island mein persönlicher Favorit. Und ich kann noch nicht einmal genau sagen, warum?

Das erste Mal betrat ich isländischen Boden in Akyreiri. Und mir verschlug es sofort den Atem!
Da liegt die kleine Stadt vor einem und rechts und links davon ist… Landschaft. Unverbaute, unendliche Landschaft.
Der Himmel war strahlend blau, es waren 16°C angezeigt und wir hatten uns in unsere Winterjacken gemummelt, nur um sie 5 Minuten später zu öffnen: 16° in Island sind nicht vergleichbar mit 16° auf dem Kontinent… es fühlte sich an, wie ein warmer Frühlingstag und tatsächlich saßen wir wenig später auf der Terrasse eines Cafés.

Der Eindruck dieser wunderbaren Landschaft verstärkte sich später noch, als wir die sogenannten „Golden Circle Tour“ machten. Dabei ging es von Reykjavik im Bus erst zum „Thingvellir“, dann zum Gulfoss Wasserfall und zum Abschluß zu den Geysiren.

Auf dem Weg zum Thingvellir, dem Freiluftparlament der Isländer, kamen wir an der Stelle vorbei, wo die Europäische und die Amerikanische Kontinentalplatten aufeinander treffen, bzW auseinander driften.
Der Weg zum Thingvellir ist ein schmaler Pfad, der zwischen ca 5m hohen, schwarzen Felswänden auf die Ebene führt. Während ich mit Scharen von Touristen hinunter wandere, stelle ich mir vor, wie die Wikinger mit ihren Pferden diese Strecke entlang ritten und höre in meinem inneren Ohr das Klirren von Metall, das Klappern der Hufen und rauhe Stimmen rufen, bevor sich plötzlich -Aaaaah!- die Felsen zu einer weiten Ebene hin öffnen.
Wo jetzt nur Landschaft ist, lagerten damals alle Isländer. Der Thing war einmal im Jahr ihre Versammlung, hier wurde Recht gesprochen – man kannte damals noch kein geschriebenes Gesetz, am Anfang der Versammlung sagte der gewählte Richter, unterstützt von 2 Helfern, alle Gesetze auf, vermutlich stand er dabei -wie alle Redner- mit dem Rücken zur Ebene und sprach gegen eine Felswand, die dann seine Stimme reflektierte.
Hier wurden aber auch Ehen geschlossen und alle wichtigen Dinge des sozialen Miteinanders geregelt.
Tatsächlich fand hier auch eine Versammlung statt, als die Isländer ihre Unabhängigkeit beschlossen. Sie taten dies mitten in den Kriegswirren des Jahres 1944, als sich auf dem Festland niemand so recht für Island interessierte, aber sie blieben bis heute unabhängig. Nur das Parlament befindet sich mittler Weile unter „Dach und Fach“ in Reykjavik.

Der Weg zum Gulfoss Wasserfall führt uns mitten durch die Landschaft, die ich – als erklärter Vulkanlandschafts-Fan – hochgradig spannend finde: wie alle Vulkanlandschaften (?) ist sie wellig, die Berge werfen sanfte Falten, manche sind mit Lavastaub bedeckt und schwarz, manche sind moosbewachsen. Dieses Moosgrün marmoriert in mindestens 7 verschiedenen Schattierungen das Ockerbraun.
Die Flüsse und Seen sind tiefdunkelblau, es gibt karstige Lavafelder, die mit schwefelgelben Flechten überwachsen sind und weite, weite grüne Ebenen.
Es ist eine „Herr der Ringe“-Landschaft und ich erwarte jederzeit berittene Armeen über die Hügel galoppieren zu sehen, stattdessen grasen überall Islandpferde und Schafe… ich traue mich nicht, die Augen zu schließen, aus Angst etwas zu verpassen.

Der Gulfoss Wasserfall ist unglaublich beeindruckend. Zunächst sieht man nichts. Lauter flache Landschaft, dann plötzlich ein Schnitt, eine Schlucht, ein Fluß und da tobt er! Nicht besonders hoch, aber breit, gewaltig und laut.
In der aufwirbelnden Gischt Regenbögen.

Die Geysire müssen sein, schließlich wird Erdwärme schon lange von den Isländern genutzt. Über dreiviertel der isländischen Haushalte heizt mit Wärme aus Thermalenergie. Das Spektakel am Geysirfeld: ein kleiner See, knapp 2m Durchmesser, langsam bildet sich in der Mitte eine Blase, die langsam größer wird und dann plötzlich Pawammm! schießt eine Wassersäule in die Höhe!

Im langsam schwindenden Licht geht es zurück nach Reykjavik und ich bin erfüllt von Eindrücken und sicher: hier will ich noch einmal länger hin!

Eidfjord

Das Wetter, morgens bewölkt, klart im Laufe des Tages immer mehr auf und beschert uns einen wunderbaren Sommertag. Mit 22°C leidlich warm, leicht bewölkt, ein klarer Blick auf die Berge und den Fjord.
Wir entscheiden uns für einen Gang die Straße am Fjord entlang.
Ruhe.
Eine tiefe Stille, wie ich sie sonst nur vom Gipfel eines Berges kenne. Die ab und an vorbeifahrenden Autos hört man schon lange bevor sie einen überholen.
Zwischen diesen kleinen „Störungen“ zwitschert ab und an mal ein Vogel, das Wasser auf dem Fjord ist fast spiegelglatt, Kanuten ziehen vorbei und wir beneiden sie darum, daß sie die Weite auf dem Wasser genießen können.

Typisch nordische Holzhäuser mit Anlegestelle zu unserer Linken, in einem Garten wachsen saftige Pflaumen in dicken Trauben.
Schließlich ein schmaler Strand im Schatten eines Berges und wir halten die Füße ins eiskalte Fjordwasser. Der Sand ist grob und ich finde Miesmuschelschalen. Etwas weiter ein genau so schmaler Strand mit Sonnenschein. wieder setzen wir uns eine Weile hin. Am gegenüberliegenden Ufer stürzt ein Wasserfall in die Tiefe, einer von diesen typisch norwegischen Wasserfällen, die so unglaublich schmal und wenig beeindruckend aussehen, aber sein Rauschen hören wir bis zum Strand.
Die Aussicht macht allen typischen kitschigen Postkarten kräftig Konkurrenz.

Wie muß es sein, hier zu leben? In einem dieser roten Holzhäuser, die man ab und an irgendwo am Ufer oder am Hang sieht, kilometerweit von jeglicher Zivilisation entfernt?
Wie übersteht man die Winter wenn es den ganzen Tag dunkel ist und man nicht mal eben einkaufen fahren kann?
Gibt es im norwegischen ein Wort für Nachbarschaftsstreit?

Hop on – and never off!

In jeder Stadt wird einem mittler Weile mindestens eine „Hop on-hop off“-Tour angeboten. Die Modalitäten sind unterschiedlich, aber man zahlt für so einen Bus eine gewisse Summe und kann – je nach Größe der Stadt – den ganzen Tag (oder länger) damit herum fahren, verschiedene Strecken wählen, aussteigen und wieder einsteigen… wenn, ja wenn denn genug Platz im Bus ist.

Meine erste Erfahrung mit einem dieser Gefährte war recht ungewöhnlich: wir waren in Lissabon und wählten die „Greyline“, die 3 verschiedene Strecken anbietet: die rote führt bis nach Belem, die blaue geht ins Barrio Alto und bis zum Expo-Gelände und eine grüne Tour soll zum Castell und durch das Alfama Viertel führen. Diese Tour wird mit kleinen Bussen durchgeführt, die besser durch die kleinen Gassen passen.
Wir wählten die blaue Tour, allerdings hatte unser Bus anderes vor: statt ins Barrio Alto abzubiegen, fuhr er weiter geradeaus die Strecke entlang, die wir schon mehrfach in anderer Richtung in die Stadt genommen hatten… am Torre de Bèlem drehte der Bus endlich und fuhr Richtung Innenstadt. Als wir dort an einem der Knotenpunkte auf die andere Linie umsteigen wollten wurde uns mitgeteilt, dies sei die blaue Linie. Auf unseren Einwand, daß wir aber gerade die rote Strecke gefahren seien, wurde nicht weiter eingegangen.
So blieben wir also sitzen um dann, nach einer Schleife durch das Expo Gelände, im Zentrum zu versuchen auf die grüne „Castle-Line“ umzusteigen. Die Busse fuhren im Halbstundentakt und wir mussten nach 3 vergeblichen Versuchen aufgeben, da die Busse hoffnungslos überfüllt waren und es keinen Anschein machte, als ob sich dies bessern würde…
Immerhin haben wir an diesem Tag von Westen bis Norden die Stadt durchquert und Einiges gesehen.

In New York wählten wir für 50,-$ das Drei-Tage-Ticket von „City Sights“, man bietet mehrere Strecken an: Up-Town, Down-Town, Brooklyn sowie eine Lichter-Fahrt mit einem Schiff.
Der Ticketverkäufer versichert uns, daß man ganz bequem die Downtown-Tour machen und dann zur Brooklyn Tour umsteigen könne. Kaum sitzen wir aber im Bus, sagt der Reiseleiter, nein, nein die Brooklyn-Tour würde man wohl nicht mehr erreichen, da die letzte Tour ja schon in einer Stunde ginge und wir es bis dahin auf keinen Fall zum Battery Park schafften.
Das ist insofern ärgerlich, als daß wir, hätten wir die Metro genommen, durchaus pünktlich am Battery Park gewesen wären. Wir bleiben im Bus, der durch Straßensprerrungen gezwungen ist, eine andere Strecke zu fahren, als angezeigt.
Am nächsten Tag entscheiden wir uns für die Uptown Tour und haben Glück!
Die Schlange vor der Haltestelle ist ziemlich lang und es ist niemand da, der die Wartenden organisiert. 2 Busse fahren einfach weiter – wahrscheinlich sind sie voll – der dritte hält, hat aber nicht genug Platz für alle Wartenden. Mit Ach und Krach schaffen wir es in den folgenden Bus, der dann auch gleichzeitig der Letzte ist, der die Strecke fährt.
Und auch dieser Bus fährt nach einigen Stops einfach durch, weil kein Platz mehr für neue Passagiere ist…

Fazit: die Idee ist OK und wenn man viel Zeit hat, auf freie Busse zu warten auch OK. Ist man einmal im Bus und steigt nicht aus, kann man eine gute Übersicht über eine Stadt bekommen.
Man muß aber auch damit rechnen viel Geld für wenig Leistung zu bezahlen.

New York

Ich wollte niemals nach New York.
Das stimmt nicht so ganz. Ich wollte nach New York, weil mir mal jemand gesagt hatte: „Wenn Du London magst, wirst Du New York lieben!“ und ich mag London nicht, ich liebe es!
Wie muß dann erst New York sein?… dachte ich.
Bis eine Freundin, die ebenfalls eine London-Verliebte ist in New York war und nur den Kopf schüttelte.
Sie liebt weiterhin London und New York lässt sie kalt.
Also wollte ich auch nicht mehr so dringend da hin.

Nun, nachdem ich ein paar Mal in New York war, kann ich sagen: ich sehe überhaupt keine Gemeinsamkeit zwischen diesen beiden Städten. Sie sind so unterschiedlich wie … England und Amerika – selbst die Sprache ist nur so ungefähr ähnlich.

Mein erster Eindruck von New York: ich fühle mich sicher. Die einfache Gitterstruktur der Straßen macht es leicht, sich zu orientieren.
Obwohl die Stadt groß ist, kann man sich alles gut erlaufen. OK, ich habe nach dem ersten Tag Blasen an den Füßen.

Was bei mir ausbleibt, ist der Wow!-Effekt von dem mir viele Kollegen berichten, die die Hochhäuser so unglaublich beeindruckend finden… überhaupt bleibt eine gewisse Überraschung aus, denn: es sieht alles aus, wie im Fernsehen.

Auch die Sehenswürdigkeiten bieten, was sie versprechen: den sensationellen Blick vom Top of the Rocks oder Empire State, die grüne Lunge des Central Parks, das heimelige „Village“, das Gewusel in „China Town“ und „Little Italy“, der morbide Charme Coney Islands im Herbst, der blinkende Times Square bei Nacht es ist alles genau so wie man es aus dem Kino oder dem Fernsehen kennt.
Nicht weniger, aber auch nicht mehr.
Nur die Eisbahn vor dem Rockefeller Center ist anders als in den zahlreichen Filmen: kleiner…

Broadway, Baby!

Ich bin nicht so wahnsinnig zu versuchen, jede Show zu sehen, die der Broadway zu bieten hat. In diesem Jahr fiel mir die Auswahl sogar schwerer, als im letzten, weil kein richtiges Glanzlicht dabei zu sein schien.

Sehr gespannt war ich eigentlich auf „Spiderman“ von dem man ja viel gehört hat: teuerste Produktion jemals am Broadway, einmal in der Produktion fast pleite gegangen, July Taymore kurz vor der Premiere gefeuert… nun, glaube ich den Kollegen die es sahen (und ich glaube ihnen) ist es vor allem die langweiligste Show des Broadways und sie waren froh, nicht mehr als 40,-$ für die Karten bezahlt zu haben.
Technisch muß es wirklich beeindruckend sein, aber die Story und die Musik reißen das nicht raus.
Also spare ich mir die 40,-$ lieber.

Meine Wahl fiel zunächst auf „Priscilla – Queen of the Desert“. Ich habe den Film leider nicht gesehen, kann also keinen Vergleich ziehen, wohl aber sagen, daß wir eine Menge Spaß hatten. Obwohl alles so simpel aussieht, steckt ein unglaublich technischer Aufwand dahinter: die drei Diven, die immer dann singen, wenn ein Travestie-Künstler nicht selber singt, schweben Anfangs vom Schnürboden herein, der Bus ist mit einer LED verkleidet, so daß er später pink leuchten kann, auf dem Bus ist irgendwann ein riesiger Pumps befestigt, der über das Busdach hinaus bis über den Orchestergraben fährt und und und und erst die Kostüme!

Die Kostüme in den Travestie-Nummern toppen sich gegenseitig. Auch wenn ich mir vorstelle, daß so mancher der (unglaublich gut durchtrainierten) Tänzer sich denkt: „Dafür habe ich also 15 Jahre Ballett gemacht, damit ich jetzt als übergroßer Muffin mit Kerze auf dem Kopf Walzer tanze!“
Es glitzert, federt und blinkt also an allen Ecken und Enden, die Musik besteht aus lauter Disco-Hits, gute Laune ist vorprogrammiert und an zwei Stellen kann man auch ein Tränchen der Rührung verdrücken.

Tagelang lachte ich noch über „Pop Music“, eine Nummer, die von einer kleinen asiatischen Mail-Order-Braut gesungen wird und die dabei vorführt, wo und wie sie überall Tischtennisbälle ploppen lassen kann…

Als zweite Show sah ich „Follies“. Eine ganz andere Art, schon allein wegen der Musik von Stephen Sondheim, eher ein Musical im klassischen Sinn.
Und hier kam wieder zusammen, was mich schon letztes Jahr in „Addams Family“ faszinierte: man sieht, daß die Darsteller hier wirklich alles Spiel, Gesang und Tanz beherrschen. Bernadette Peters ist eine DER Musicaldarstellerinnen, genau so Elaine Page, die erste Evita oder Jan Maxwell … Sie sind aber nicht nur gesanglich einwandfrei sondern auch spielerisch tadellos!

Das Stück handelt von den „Follies“ (in Anlehnung an die Ziegfeld-Follies), die 30 Jahre nach ihrer letzten Show wieder in ihrem alten Theater zusammenkommen um vor der endgültigen Schließung und dem Abriss des Hauses noch einmal zu feiern. Erinnerungen werden wach, alte Liebe wiederentdeckt, es wird sich noch einmal gezofft und am Ende bleibt alles beim Alten.

Das ganze Theater wird in die Show einbezogen: die Wände und die Decke sind mit grauem, verschossenen Stoff verhängt, während des Einlasses hören wir hallende Steppschritte, wie aus einer fernen Erinnerung.
Während des Stücks, das (mit Ausnahme einer Art Traumsequenz) ausschließlich auf der grauen Hinterbühne des Theaters spielt, bewegen sich Tänzerinnen in glamourösen aber grau-schwarz gehaltenen Showkostümen in Zeitlupe über die Bühne und auf der Galerie des Bühnenbildes, wie die Schatten der Erinnerung an die glanzvollen Zeiten.

Diese „Schatten“ werden als Doppelbesetzung ganz konkret. Wenn die „alten „Follies“ sich noch einmal an ihre Choreographie erinnern und tanzen, tanzen da plötzlich die „jungen“ Follies in ihren Federkostümen die Kick-Line mit.
Und auch in den Spielszenen wird diese Doppelbödigkeit beibehalten: es gibt zu den Protagonisten Sally, Phyllis, Ben und Buddy jeweils ihre jungen „Ichs“ die zeigen, „wie es damals war“.

Die Spieszenen haben es in sich. Es beginnt, wie eine Noël Coward Konversations-Komödie und wird schnell bösartiger Tennessee Williams, oder wahrscheinlich eher Strindberg.
Die Songs klingen -typisch Sondheim- leicht, sind aber – typisch Sondheim – hochanspruchsvoll sie passen vom Text und Rhythmus ins Stück, und führen die Handlung wie ein Monolog weiter.
Wenn Buddy mit „The Wrong Girl“ alleine die Bühne rockt oder „Phyllis“ sich mit „Could I Leave You?“ mit Ben auseinandersetzt, ist das, obwohl ein Song, ganz großes Theater.

Die alten Follies sind übrigens alles gestandene Frauen, denen man ihr Alter (also 45+) auch körperlich ansieht: da trägt keine Größe 32 (naja, außer Jan Maxwell und Bernadette Peters), eher 42 und mehr, aber sie alle tanzen und steppen mit Anmut und Leichtigkeit.

Der Fairness halber seien hier auch die beiden männlichen Hauptrollen namentlich erwähnt: Ron Raines spielt den Ben und Danny Burstein den Buddy. Wahrscheinlich stelle ich irgendwann wie bei Nathan Lane fest, daß ich beide aus Film und Fernsehen kenne.

Dieses Stück wird man mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht in Deutschland sehen. Sondheims Musik ist zu anspruchsvoll für das La-La-La-gewöhnte-Andrew-Lloyd-Webber-Musical-Publikum. Außer „Losing My Mind“, das glaube ich durch Liza Minelli einige Bekanntheit erreichte, ist kein Ohrwurm dabei, den man summt, wenn man aus dem Theater kommt.
Und ich kann mir nicht vorstellen, welche 10 deutschen Schauspielerinnen man besetzen könnte?
Man stelle sich überhaupt mal vor: die Besetzungsliste (ohne Ensemble!) umfasst 31 Leute, dazu noch 15 Mann und Frau Ensemble plus Orchester…! Wahrscheinlich kann sich gar kein deutsches Theater so eine Produktion überhaupt leisten.
Dieser Abend war seine 79,-$ (Rang Mitte- das ist ziemlich weit hinten- links) wert!

„Seminar“ ist das einzige reine Sprechtheater Stück, das ich sehe. Es ist eine Preview und wir zahlen 81,-$ pro Karte im Rang… denn es spielen Alan Rickman, Jerry O’Connell, Hamish Linklater, Lily Rabe und Hettienne Park, alles durch Film und Fernsehen bekannte Schauspieler, die hier beweisen, daß es keinen Unterschied zwischen Bühnen- oder Film-, sondern nur einen zwischen guten oder schlechten Schauspielern gibt.
Der Abend ist – im Gegensatz zu vielen vergleichbaren deutschen Produktionen in denen man „große Namen“ engagiert, um Publikum zu ziehen – großartig.

Ein weiteres Show-Highlight war der Besuch von „Eileens Stardust“. ein klassisches 50er Jahre Diner in dem die Kellner singen. Und zwar richtig gut singen. Weil sie nämlich eigentlich Musicaldarsteller sind.
Nach Ende der Broadway Shows, also so gegen 23:00 am Samstag Abend gibt es einen Showblock. Und während man seinen Burger verzehrt kann man ausgezeichneten Leuten zuhören.
Es gibt keine Bühne, nur einen maximal 30 cm breiten Steg zwischen den Rückenlehnen der Mittelbänke, auf dem die Sänger stehen, wenn sie nicht durchs Lokal laufen. Moderiert wird alles von einem älteren Herrn in weißem Dinnersakko. Nach dem Showblock geht ein Sektkübel rum, in dem ausschließlich die Trinkgelder für die Sänger gesammelt werden. Daraus finanzieren sie Gesangs- oder Schauspielstunden

In den letzten Jahren haben es immer wieder Leute von „Eileens“ an den Broadway geschafft. Eine sah ich wohl letztes Jahr als Wednesday in „Addams Family“ eine singt derzeit als Schwester Mary Robert in „Sister Act“…

Es wundert mich, daß diese Idee es noch nicht nach Deutschland geschafft hat? Gerade eine (hahaha) Musical-Hauptstadt wie Hamburg mit 3 Musical Schulen hat doch genug Potential!

Jedenfalls bin ich mit meinen Broadway Erlebnissen sehr zufrieden. Musical in America ist nicht vergleichbar mit Musical in Deutschland. Es hat sich hier aus einer Theatertradition entwickelt (vielleicht ein Äquivalent zu unseren deutschen Operetten) in denen man rundum gut ausgebildete Leute braucht.
Schwer vorstellbar erscheint mir, daß hier irgendein nicht-akzentrei-englisch sprechender Darsteller eine Hauptrolle bekommt und von einem nicht-englisch sprechenden Regisseur inszeniert wird…
Schaut man sich die Lebensläufe der Broadway-Darsteller an, kann man sehen, daß sie nicht ausschließlich Musical, sondern auch Theater, Film und Fernsehen spielen.
Musicals haben hier allerdings nur eine begrenzte Haltbarkeit und sind kein Garant für eine langfristige Beschäftigung.
Als Darsteller hier leben möchte ich nicht, aber als Zuschauer bin ich sehr, sehr dankbar!

Charleston

Ich wollte nie in die USA – außer vielleicht nach New Orleans, wegen der Stücke von Tennessee Williams und um die Athmosphäre dort zu spüren, die er so eindringlich beschreibt.

Wahrscheinlich bin ich einer von nur 10 Deutschen, die „Vom Winde verweht“ auch als Buch gelesen haben. Damals war ich 18 und viel ist mir nicht mehr erinnerlich, außer den endlosen Schlacht-Beschreibungen in deren Mittelpunkt Charleston steht. Es mag daran liegen, daß ich eine pulsierende Metropole erwarte?

Charleston ist anders, zumindest der kleine Teil, den ich davon sehe. Es macht den Eindruck einer, gemütlichen und sehr reichen kleinen Stadt mit wunderschönen Villen bei denen so manche Terrasse größer ist, als eine gewöhnliche deutsche Einzimmerwohnung. Dies sind nur die kleinen Häuser, die großen Plantagen befinden sich außerhalb. Eine freundliche Amerikanerin erklärt uns, dies seien die Villen Zuckerrohr- und anderer Plantagenbesitzer „Cotton is more bossy.“

Wir frühstücken in „Joe‘s Diner“. Der Laden ist klein und auf Grund seiner Nähe zur Universität immer gut gefüllt. Zwischen den Tischen wuseln mindestens 4 Kellnerinnen umher, was für einen Laden dieser Größe viel Personal und der neuerliche Beweis ist, daß Arbeit in den USA nichts kostet.
Auf den Tischen karierte Tischdecken mit Löchern, davor durchgesessene Lederbänke, am Tresen sitzend, kann man dem Koch auf die Finger gucken, wie er Speck und Eier brät, die Buttermilchwaffeln macht oder Sandwiches belegt.
Die Kellnerinnen bieten automatisch „Refill“ mit dem für die USA so typischen dünnen Kaffee an.
Es ist eine Szene, wie aus einem Film, aber ich sitze mitten drin.

Karibik

Ja, es gibt sie, die Strände, die wir uns vorstellen, wenn wir das Wort „Karibik“ hören.

Strände mit feinem, weißen, pudrigen oder grobem weißem oder buntem, blau und rosa gesprenkeltem Sand und Wasser dessen Farbe von helltürkis bis dunkelblau changiert unter strahlend blauem Himmel (scheißeheiß) oder einem Himmel über den gemütlich Schäfchenwolken ziehen (gerade mal so erträglich), Strände, die kilometerlang sind, oder kleine schöne Buchten mit und ohne Palmen…

Wo bleibt das „aber“?
Hier kommt es:

diese Strände sind selten so leer wie man das auf Photos immer sieht.
Ist es irgendwo nett, sind die Sonnenliegen und -schirmverleiher schon da. Es gibt (mindestens) eine Hütte mit Rumcocktails und ein Restaurant deren Musik, die über die Idylle schallt.
Hat man ganz großes Pech, werden einem von fliegenden Händlern in beliebiger Reihenfolge Schmuck (Einheitsware), Sonnenbrillen (Touristenqualität), Tücher, Flöten oder Eis angeboten…

Das liegt daran, daß es auf den meisten (aber nicht allen) Inseln außer den wunderschönen Stränden mit pudrigem, oder grobem, weißem oder buntem blau und rosa gesprenkelten Sand und Wasser dessen Farbe von helltürkis bis dunkelblau changiert und strahlend blauem Himmel nichts gibt.
Keine Ruinen von Ureinwohnern, keine Altstadt, das ein oder andere Castell, eine oder mehrere Kirchen und je nach Insel von Engländern, Franzosen oder Holländern gebaute pittoreske Stadtkerne.

Lässt das Klima es zu, gibt es einen Regenwald, den man zum Ausgleich erwandern kann. Wenn nicht, legt man sich an den Strand mit feinem, weißen, pudrigen oder grobem weißem oder buntem, blau und rosa gesprenkeltem Sand und Wasser dessen Farbe von helltürkis bis dunkelblau changiert…