Carola tippt…

Jamaica, Check In.

Ich steuere auf die freundliche „Carola“ zu und reiche ihr meine Papiere. Daß Carola freundlich ist, unterstelle ich nur. Schließlich bin ich nicht in Deutschland, sondern in der Karibik, noch besser: auf Jamaica „Yo Man! No Problem!!“ und so weiter… in Wirklichkeit guckt Carola neutral, vielleicht sogar etwas gelangweilt.

Sie nimmt meine Papiere entgegen und fängt an, zu tippen. Auf der Ablage, da wo ich mein Handgepäck abgestellt habe, liegt ein benutztes Feuchttuch. Ich überlege, es unauffällig auf den Boden zu schieben… lasse es aber lieber bleiben: Amerika und seine seltsamen regeln sind nah – nachher unterstellt man mir noch, es sei mein Feuchttuch und verhaftet mich wegen mutwilliger Flughafenverschmutzung…
Carola tippt weiter. Ich überlege, wie man ihren Namen wohl ausspricht? „Carol“ wäre ein normaler englischer Name… Carola klingt so fremd …
Kei-roh-la
Carola tippt und fragt mich schließlich, wieviel Gepäckstücke ich habe?
2 Koffer und einmal Handgepäck.
Carola tippt.
Nach einer gefühlten Ewigkeit in der ich die Silben Kei-Rohhhh-Laaa in meinem Hirn hin und her bewegt habe, teilt sie mir mit, daß British Airways eine Gebühr von 200,-$ auf das Gepäck erheben würde.
Ich weise sie auf meine Unterlagen hin, in denen steht, daß ich 2 x 23kg frei habe, da ich Crew auf einem Kreuzfahrtschiff war…
Sie tippt und entschuldigt sich, sie müsse eben mit ihrem Supervisor sprechen. Sie kommt zurück und nun kann ich immerhin mein Gepäck wiegen. Koffer 1 mit meinen Klamotten wiegt 20kg, Koffer 2 lediglich 13kg. Koffer 1 wird mit den üblichen Aufklebern versehen… das Ausdrucken der Aufkleber für Koffer 2 scheint schwierig zu sein… wiederum spricht Carola mit ihrem Supervisor.
Das Gespräch dauert. Sie kommt zurück und bittet mich, einen Schritt zur Seite zu gehen, ihr Supervisor müsse etwas klären… sie checkt ein älteres englisches Ehepaar mit 2 Koffern ein.
Das geht schnell.

Wieder spricht sie mit ihrem Supervisor und fragt mich, ob ich Crew wäre?
Ja, bin ich. Sagt ja auch das Schreiben, das Du in den Händen hältst, Du dusselige Kuh habe ich Dir auch schon gesagt… hör auf zu kiffen, dann klappt das auch wieder mit dem Gedächtnis! möchte ich sagen, sage ich natürlich nicht…
Ich antworte ganz gesittet: „Ja, bin ich.“
OK, die Gebühr betrage jetzt 100,-$…
Was soll ich machen?
Ich kann den Koffer, in dem sich Kostümteile eines Kollegen und meine gesamten Textbücher befinden nicht einfach am Flughafen stehen lassen – wahrscheinlich gilt das sowieso als terroristischer Akt… packte ich die 13kg auf meine 20kg wäre eine saftige Gebühr fällig… und überhaupt: wohin mit dem lila Schalenkoffer?
In 3 Gottes Namen, dann bezahle ich die 100,-$ eben!

Sie teilt mir mit, daß es nicht möglich ist, mein Gepäck bis Hamburg durchzubuchen, da ich über Miami fliege und in Amerika mein Gepäck identifizieren müsse… nach einer guten Stunde halte ich endlich meine 3 Tickets (Jamaica-Miami-London-Hamburg) sowie die Quittung für die 100,-$ in der Hand.
„Yo Man! No Problem!“

Nachtrag: Die „Gepäckidentifizierung“ bedeutet nichts weiter, als daß man sein Gepäck einsammeln und selber ins nächste Terminal befördern muß.
Für den 8stündigen Flug über den Atlantik hatte mir Carola einen Mittelplatz in einer 4er Reihe reserviert.
Der 100,-$ Koffer ging in Heathrow verloren.

Das ist dort keine Seltenheit – er kam zum Glück einen Tag später und wurde mir nach Hause geliefert. Es war auch fast nichts kaputt gegangen.