Hanseatisch

Nach einer Stunde auf dem Zaharztstuhl, in der so wundervolle Geräte wie „die flache Zange“, „der Luxator“, „der chirurgische Sauger“ und „der scharfe Löffel“ für die vollständige Entfernung eines Zahnes samt Wurzelbehandlung sorgten und ich genug Adrenalin für ein Leistungssportlerleben ausgeschüttet hatte, wankte ich zur U-Bahn.

Ich wollte nach Hause, ich wollte Suppe, ich wollte Ruhe.

Am U-Bahn Eingang stellt sich ein Mann zwischen mich und die einfahrende U-Bahn.
„Fährt die zum Hauptbahnhof ?“
„Nein.“ knirsche ich zwischen betäubter Lippe und blutigem Mull hindurch.
„Die auf der anderen Seite?“
„Ja!“ knirsche ich und eile um ihn herum zur rettenden Bahn.
„Vielen Dank! Sehr freundlich!“ brüllt er sarkastisch hinter mir her.

Lieber unbekannter Tourist! Daß ich Ihnen nicht meinen blutigen Mullballen ins Gesicht gespuckt habe, verdanken Sie lediglich der Tatsache, daß ich ihn noch brauchte, um ein wenig hineinzubluten.
Manchmal sind wir Hanseaten einfach nur deswegen einsilbig, weil wir nicht anders können.

Persona non grata

Eigentlich sollten seit dem 1.1.08 die Straßen voller fröstelnder Raucher sein, die sich vor der Kneipe oder dem Lokal ihrer Wahl schnell eine Zigarette gönnen.
Eine wunderbare Umkehrung dieser Situation durfte ich heute im „Big Easy“ in der Osterstraße erleben:

während andere konsequent ihr ganzes Lokal zum Nichtraucherbereich erklären, nimmt man im „Big Easy“ die krasse Teilung vor: im ersten Stock, dort wo die gemütlichen Clubsessel stehen und die Kamin-DVD Behaglichkeit verbreitet, sitzen die Raucher.

Das erkennt man schon an der blauen Nebelwand, die auf der Mitte der Treppe hängt.
Nichtraucher dürfen im unteren Bereich sitzen, da – so klärt uns die Kellnerin auf – der Eingangsbereich rauchfrei sein müsste.

Dieselbe Kellnerin behauptet auch, der Krabbensalat, den sie vor mich hinstellt, sei ein Fleischsalat, weil der ihr so von der Küche gegeben worden sei… als wir dies zu bezweifeln wagen, gesteht sie, sie wüsste nicht, wie Fleischsalat überhaupt aussähe… auf unsere Bemerkung, es sei recht frisch, erklärt sie uns erst, der Koch müsse ständig durch die Eingangstür, später, als wir sie fragen, ob es möglich sei, die Heizung etwas höher zu stellen, die Heizung sei kaputt.

Die Nebelschwaden aus dem ersten Stock verteilen sich langsam auch in der unteren Etage und so stolpern wir nach 3 Stunden genau so nach Rauch stinkend, wie auch vor dem 1.1.08, dafür mit halb erfrorenen Füßen aus dem Lokal.

Während ich bis vor 5 Tagen keine Wahl hatte und mich überall vollqualmen lassen musste kann ich seit heute getrost sagen: ich gehe nur noch dahin, wo man rauchfrei sitzen kann: zum Beispiel ins „Café Uhrlaub„, wo ein entzückender Kellner froh darüber ist, endlich in guter Luft arbeiten zu dürfen, oder in die „Taverna Rhodos“ auf Sylt, wo man im Gegensatz zum Rest der Lokale in der Friedrichstraße zudem noch bereit war, 10 hungrige Künstler nach der Vorstellung mit Krankenhausmengen leckersten Essens zu versorgen!

Zeichen

Zu meinen alljährlichen Weihnachtsdekorationen gehört das Aufhängen eines Mistelzweiges über der Eingangstür.
Dort bleibt der Zweig hängen, bis er im darauffolgenden Jahr von seinem Nachfolger abgelöst wird.

In diesem Jahr nun verhält sich der Mistelzweig sehr eigenartig: vor einer Woche wollte ich meine Wohnung verlassen, öffnete die Tür und ZACK! im hohen Bogen flog mir ein Mistelblatt entgegen.

Heute stürzte sich gar der ganze Zweig auf mich.

Soll das heißen, er will raus, in die Natur? Oder soll ich einfach ein paar Mistelblätter dekorativ in meine Frisur arbeiten, in der Hoffnung, daß irgendein netter Mann sie entdeckt, „Mistletoe!“ ruft und mich küsst?

Ich erkenne manche Zeichen schon, wenn ich sie sehe – allein: sie zu deuten fällt mir schwer.